Politische Bildung = Demokratiebildung?!

(Gedanken zum Vortrag von Jun.-Prof. Dr. Alexander Wohnig am 11.5.2022)

von Mona Harangozó, Referentin für Diversität und Politische Bildung im BezJR Oberbayern

Ist es nicht so? Politische Bildung und Demokratiebildung werden in der außerschulischen Bildungsarbeit in einen Topf geworfen, es wird nicht wirklich differenziert. Mir selbst war nicht klar, wo genau der Unterschied liegt, dabei heißt meine Stelle „…Politische Bildung“.

„Demokratiebildung ist Politische Bildung“, „Demokratiebildung ist das Dach von Politischer Bildung“ sind gängige Aussagen, wenn es um dieses Thema geht. Jedoch birgt eine saubere Unterscheidung viel mehr Potenziale in der Praxis, wie ich erkennen durfte.

Deshalb teile ich hier meine Gedanken zum Vortrag mit euch und beziehe mich dabei immer wieder auf die Aussagen und auf Teile der Präsentation von Jun.-Prof. Dr. Alexander Wohnig, der am 11.5. im Rahmen von Jugendarbeit lebt bei uns zu Gast war.

Politische Bildung:

Die Leitidee: Mündigkeit

„Mit der Voraussetzung von Demokratie, Mündigkeit, gehört Kritik zusammen.“ (Adorno 1971/1969 785)

Erst wenn wir es geschafft haben, mündige, wissende Menschen in allen Ebenen zu haben, können wir Kritik als fruchtbaren Boden verstehen, der unsere Gesellschaft gleichberechtigt, stetig weiterwachsen lässt. Wir lernen konstruktiv zu streiten und so in faire Aushandlungsprozesse miteinander zu gehen. Was ist dafür nötig?

Politisches Wissen + Erkennen eigener Interessen + Politische Urteilsbildung + Politische Partizipation = kritische Analyse bestehender Verhältnisse/Konflikte und die Mitbestimmung, das Entfachen der „Leidenschaft zu verändern“ (Horkheimer)

Dabei immer kritisch hinterfragend die Kategorien zur Analyse von sozialwissenschaftlichen Konflikten:

Konflikt – Macht – Interesse – Recht – Ideologie – Mitbestimmung – Menschenrechte – Geschichtlichkeit…

Hierzu noch ein kleiner Auszug aus dem 16. Kinder- und Jugendbericht zur Politische Bildung:

„Politische Bildung befähigt die Teilnehmenden, an der konflikthaften Gestaltung der Demokratie teilzuhaben, indem politische Partizipationsfähigkeit vermittelt und erfahrbar gemacht wird.“

Mit Bezug auf das Problem, dass Einflusschancen ungleich verteilt sind, ergeben sich zwei Handlungsaufforderungen: Erstens die Sichtbarmachung dieser Ungleichheiten, zweitens das Empowerment, indem das Bewusstsein hergestellt und die Erfahrung ermöglicht wird, dass Jede*r ein Recht auf Beteiligung und Partizipation hat.

(Damit ist die Fachstelle Diversität und Politische Bildung erklärt ;-))

 

Ein Zwischenfazit:

Politische Bildung = Demokratiebildung; Demokratiebildung = Politische Bildung, Politische Bildung ist also als Konzept zu verstehen, welches ein Teil von Demokratiebildung im Sinne von Demokratiepädagogik ist. Beiden Begriffen geht es um Wissen/Kompetenzen und eine politische Selbstbildung durch Aneignung. Also ist der differenzierte Blick schon an dieser Stelle sehr viel gewinnbringender als die Gleichsetzung.

Demokratiebildung:

Leitidee: Partizipation

Lernen von Demokratie durch Erfahren von Demokratie z.B. in Institutionen, wie der KiTa: „Man lernt Demokratie durch demokratische Praxis“ (Sturzenhecker 2020,1263)

Können Kinder im Kindergartenalter überhaupt Demokratie lernen? Ich würde unbedingt ja sagen! Wenn es um ihre eigene Betroffenheit geht und wir ihnen zutrauen, in ihrer Sache mündige Personen zu sein. Und dies lässt sich doch nach überall übertragen, wir müssen von mündig angenommenen Subjekten in allen Ebenen ausgehen. Lediglich die Art der Kommunikation (die zugegeben auch in diesem Text gerade eher in schwieriger Form existiert und somit viele Gruppen exkludiert) muss dringend hinterfragt werden. Aber ich persönlich würde nicht versuchen, Kindern in der KiTa Demokratie zu erklären, ich würde sie einfach erlebbar machen. Und schon bin ich mitten drinnen, in der Demokratiebildung.

Denn was wird benötigt? Demokratie und vor allem Partizipation zulassende Institutionen, Rechte, Mitgliedschaft und Freiwilligkeit. Also dürfen wir uns in der Jugendarbeit fragen: Wo sind die Gelegenheiten für Demokratiebildung bei uns in der Institution, wo sind Grenzen? Dabei fällt mir das Partizipationsstufenmodell von Roger Hart wieder ein. Wie sind die Machtverhältnisse zwischen den Erwachsenen und den Kindern/Jugendlichen, welche Stufe der Partizipation können wir in der Einrichtung erreichen? Sind Kooperationen mit Schulen in der Politischen Bildung/ Demokratiebildung zielführend? Dies kommt bestimmt auf die jeweilige Schule an und wie Demokratie dort gelebt wird.

 

Fazit: Wie wollen wir Politische Bildung und Demokratiebildung gestalten? Wollen wir defizitorientiert handeln und „präventive“ Ansätze, wenn es eigentlich schon zu spät ist (Stichwort: Extremismus) oder wollen wir mündige Menschen von klein auf, deren Bildung auf dem eigenen positiven Erleben ruht? Dann ist Politische Bildung kein Lernstoff, der im Lehrplan einer Jahrgangsstufe abgehandelt wird. Dann sind wir gefragt und gefordert. Lasst uns Demokratie und Aushandlungsprozesse verschiedener Gruppen leben. Unsere Gesellschaft braucht mündige Menschen, die für ihre Belange „streiten“ und politisch/gesellschaftlich partizipieren.